Serie: Größeres Entscheidungsvokabular zur Erweiterung der Perspektiven und Handlungsfähigkeit in der Entscheidungsfindung (Teil 1: Beinentscheidung)

Serie: Größeres Entscheidungsvokabular zur Erweiterung der Perspektiven und Handlungsfähigkeit in der Entscheidungsfindung (Teil 1: Beinentscheidung)
Bildbeschreibung: Jede wichtige, neue und irreversible Entscheidung erfordert die Würdigung der Einzigartigkeit der Situation und der handelnden Personen, analog der Einzigartigkeit einer jeden Schneeflocke, Foto: Jefunne

Sprache bedeutet Kommunikation und Austausch. Je größer unser Vokabular zu einem Sachverhalt, wie Entscheidungen, desto größer unsere Fähigkeit, diesen Sachverhalt klar und detailliert zu beschreiben. Die Beschreibung allein ist jedoch kein Selbstzweck oder schon das Ziel. Im Zentrum geht es um einen handfesten Nutzen, der weit darüber hinaus geht. Durch Erweiterung unserer Sprache, erweitern wir nicht nur unser Verständnis und unsere Handlungsfähigkeit bezüglich der Aspekte von Entscheidungen, die wir jetzt benennen können, wir erweitern auch unsere Fähigkeit, uns mit Anderen über diesen Sachverhalt zu verständigen, auszutauschen und zu kooperieren.

Einführung in die Serie zum größeren Entscheidungsvokabular

Unsere Fähigkeit unterschiedlichste Aspekte, Qualitäten und Zusammenhänge zu einem Sachverhalt bzw. einer Entscheidung zu beschreiben, zu verstehen und zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufassen, ist abhängig von den Worten und Symbolen, die uns in diesem Kontext zur Verfügung stehen. Sehr anschaulich lässt sich dies etwa am besonderen Wortschatz des Volks der Samen veranschaulichen. Die Samen, die im hohen Norden Europas beheimatet sind, kennen allein etwa 1.000 Worte (Lexeme), die die unterschiedlichsten Zustände von Schnee, Eis, Gefrieren und Tauen detailliert beschreiben. Zweck und Nutzen dieses enormen „Fachvokabulars“ ist es natürlich sich mit anderen so gut als möglich abzustimmen, um mit den Chancen und Risiken, die von diesen unterschiedlichen Zuständen ausgehen möglichst gut umzugehen. Je nach Schnee- und Eisbeschaffenheit bieten sich etwa Chancen des Wanderns oder Jagens, oder bezüglich Gefahren, verbieten sich eben genau diese Aktivitäten.

Ähnlich viele Worte (ebenfalls etwa 1.000) kennen die Samen auch für die Beschreibung von unterschiedlichen Rentieren, nach Geschlecht, Alter, Körperform, Körpergröße und Körperzustand, Kopf, Fellart und -farbe, Geweih, Hufen, Ohrmarken, Persönlichkeit und Gewohnheiten. Auch hier wird der Nutzen schnell deutlich. Laut Wikipedia, werden Rentiere heute „in vielen Teilen der Welt gehalten und gejagt, da man ihr meist sehr mageres Wildbret und ihr Fell schätzt. In den Regionen, in denen Großwild, Faserpflanzen und Baustoffe spärlich sind oder fehlen, haben Menschen beinahe jedes Körperteil des Rentiers genutzt: ihre Haut für Pelze und Leder, ihr Blut als Heilmittel („Saina tjalem“), ihr Geweih und ihre Knochen zur Werkzeugherstellung.“ Erst ein so detailliertes Vokabular (also ca. 1000 Worte) zur genauen Beschreibung der Rentiere erlaubte es wohl den Samen, die Tiere nicht nur erfolgreich zu jagen, zu halten und zu handeln, sondern auch deren Produkte und Vorzüge so vielfältig und optimal zu nutzen.

Unser Entscheidungsvokabular zu neuen und wichtigen Entscheidungen

Im Vergleich dazu ist unser Vokabular was die detaillierte und nachvollziehbare Beschreibung von neuen und wichtigen Entscheidungssituationen anbetrifft eher gering bis so gut wie nicht vorhanden. Nur drei Treffer etwa bietet Google heute, den 14. Mai 2018 (vor Erscheinen dieses Artikels) für das Wort „Entscheidungsvokabular„.

Dieser Zustand sollte uns nicht überraschen, wenn wir uns unsere starke Tendenz zur Anwendung von Abwehrmechanismen bei Entscheidungen hoher Tragweite vor Augen führen. Wer wichtige Entscheidungen zu Sachverhalten oder Umständen, die für uns unbekannt oder neu sind, verdrängt, verleugnet, verneint, vermeidet, verschiebt oder abspaltet, der/die braucht bzw. wünscht natürlich auch keine Worte, die diesen Zustand beschreiben. Man/Frau könnte hier von einer „Sprachlosigkeit bei Prozessen der Entscheidungsfindung“ sprechen.

Dies muss jedoch nicht so bleiben.

Wer etwas mutiger ist und diesen Zustand anerkennt, der (bitte lesen Sie im Folgenden auch immer die weibliche Form mit) räumt dann möglicherweise ein, dass es ihm schwer fällt sich bei wichtigen, neuen und komplexen Sachverhalten zu entscheiden. Diese Offenheit und Ehrlichkeit ist jedoch nicht gerne gesehen, und daher gehen die meisten dann dazu über nicht über das eigene Entscheidungsverhalten zu sprechen, sondern eher über das von anderen Personen.

Gerne wird dann von „Entscheidungsstärke“ (heute, 28.200 Treffer) und „Entscheidungsschwäche“ (heute, 22.300 Treffer) gesprochen. Doch helfen uns diese beiden Wörter schon, eine Entscheidungssituation detaillierter, angemessener oder nachvollziehbarer zu beschreiben?

Ich denke, wenn wir ehrlich sind, nein.

Entscheidungsstärke sagt nichts über die Komplexität, Tragweite, Aufwand, Chancen, Risiken oder das Vorhandensein bzw. den Mangel an Ressourcen aus, die im Zusammenhang der Beschreibung der Entscheidung notwendig wären.

Ein Same kann sein Rentier oder den Schnee, in dem er sich bewegt, genau beschreiben. Ein Entscheidungsträger jedoch , ist in der Regel, in unserer aktuellen, eingeschränkten Sprache, einfach nur „stark“ oder „schwach“.  Welche Konsequenzen dies für die Zukunft unserer Gesellschaft und unseres Planeten hat, können wir jeden Tag in der Zeitung bzw. im Internet lesen (Stichwort: Klimaerwärmung oder die sich vergrössernde Schere zwischen Arm und Reich).

Ich meine, es ist Zeit, dass wir unser Entscheidungsvokabular erweitern, damit wir über die wichtigen Entscheidungen nicht nur angemessen und nachvollziehbar, sondern auch positiv und konstruktiv sprechen können.

Neue Entscheidungsvokabel zu Teil 1: Beinentscheidung (Überprüfen, Verändern und Lernen)

Für die wichtigen und großen Entscheidungen müssen wir sprichwörtlich nicht nur unseren Horizont erweitern, sondern auch unsere Perspektiven. Bisher hat man sich damit begnügt Entscheidungen nur aus einer Kopf– oder Bauchperspektive zu betrachten.

Wo immer man hinschaut wird schon seit Jahren die Bauchentscheidung (70.800 Treffer) gepriesen, als „so gut wie unfehlbar“, schnell und praktisch (Referenz: siehe Bücher oder Konzepte wie Blink (2005), Bauchentscheidung (2007) oder emotionales Erfahrungsgedächtnis/somatische Marker (2003)).

An den Aspekten und der Anwendung von Kopf- und Bauchentscheidungen ist an sich nichts falsch, wenn sie nicht als allein glücklich machend und ausreichend angesehen werden.

Wählt man jedoch, zur genaueren Analyse, etwa die Perspektive der Transaktionsanalyse, so wird deutlich, dass bei der Beschränkung auf die Kopf- und Bauchentscheidung etwas ganz wichtiges und elementares fehlt, nämlich das „Erwachsenen-Ich“ oder die „erlernten bzw. selbst überprüften Konzepte„. Während bei Kopf- und Bauchentscheidungen, der Fokus respektive auf den gelehrten (Eltern-Ich) bzw. den gefühlten (Kind-Ich) Konzepten liegt, wird durch die Einführung der Beinentscheidung erst eine eigenständige, autonome, eigenverantwortliche, integrierte, zukunftsorientierte Erwachsenen-Entscheidung möglich.

Das soll nicht heißen, dass die Beinentscheidung besser wäre, als die Kopf- und Bauchentscheidung. Alle drei gehören zusammen und decken die notwendigen Perspektiven von Kopf (Vergangenheit), Bauch (Gegenwart) und Bein (Zukunft) ab. Entscheidungen sollten eben nicht aus einer Vergangenheitsperspektive allein (dass, was einem gelehrt oder beigebracht wurde) oder nur aus dem Stand bzw. aus der Gegenwart heraus (was man gerade fühlt oder glaubt), gefällt werden.

Entscheidungen wollen überprüft und selbst getestet werden, und dazu braucht es eine zukunftsorientierte Bewegung, die mit dem ganzen, eigenen Körper stattfindet, und die eben durch die Beine, (also unter Nutzung der größten Muskel unseres Körpers) ausgeführt wird.

Zur genaueren Beschreibung, zum Konzept und zur Anwendung von Beinentscheidungen, empfehle ich Kapitel 3, Abschnitt 4 – Expanding the concept of „legs decisions“, in meinem Buch Decision Timing: More Awareness, New Insights, Smarter (2017)

Wer das Wort Beinentscheidung in sein Entscheidungsvokabular aufnimmt, der erhält nicht nur ein cooles Wort, das bisher nur wenigen Insidern bekannt ist, viel wichtiger, durch Nutzung dieses neuen Wortes, entstehen einem selber, neue Möglichkeiten, altes, eigenes Entscheidungswissen, zu überprüfen und zu erweitern.

Wer bessere Entscheidungen treffen will, muss bereit sein neue Wege zu gehen.

Um diese neuen Wege tatsächlich beschreiten zu können, bietet sich daher am Anfang, das Konzept (also auch das Wort), der Prozess und die Anwendung von Beinentscheidungen an.

Ende Teil 1 und Ausblick

Dies ist das Ende zum ersten Teil der Serie, zur Erweiterung des Entscheidungsvokabulars und zum Begriff der Beinentscheidung.

In Teil 2 der Serie, werde ich auf das Wort Entscheidungslebendigkeit eingehen, und besonders die Aspekte von Emotion und Gesundheit beleuchten.

In folgenden, weiteren Artikeln, werde ich zum Beispiel die Worte Entscheidungsklarheit (Entscheidungsarbeit), Entscheidungswürde (Werte) und Entscheidungseinflüsse, vorstellen und genauer beschreiben.

Abschließen, werde ich die Serie, mit der dann vollständigen Entwicklung, und Erklärung des Begriffs und des Konzeptes des Entscheidungskristalls, den ich hier als „Appetizer“ schon mal kurz zeigen möchte.

Bild 2: Entscheidungskristall zur Anwendung bei neuen und wichtigen Lebensentscheidungen, Felix Schürholz 2018

Der Entscheidungskristall stellt eine Weiterentwicklung des „Magischen Vierecks der Lebensbalance“ dar, das ich zum ersten Mal im Jahre 2013 präsentiert habe. Ergänzt, und als Erweiterung zum alten Model, wird im Entscheidungskristall, im Besonderen, auf die Dimensionen von „Bewahren“ und „Verändern“, sowie  die „Chancen“ und „Risiken“ hingewiesen, die bei allen Aspekten einer Entscheidung zu beachten und würdigen sind.

Die Beinentscheidung, die ich in diesem Artikel und in meinem Buch „Decision Timing“ vorgestellt habe, ist besonders geeignet die Funktion und Anwendung des Entscheidungskristalls kurz zu veranschaulichen. Ohne das mehrfache selber Testen, Überprüfen und Entwickeln der verschiedenen Aspekte oder Dimensionen einer Entscheidung, wächst bzw. entsteht die nachhaltige Struktur einer Entscheidung nicht, analog eines Kristalls, der erst langsam, aus der Mitte wachsend, seine Struktur und Schönheit gewinnt.

Falls Sie mehr über die Anwendung der Beinentscheidung oder des Entscheidungskristalls erfahren wollen, oder ein Coaching zum Prozess des Decision Timing wünschen, können Sie mich gerne jederzeit kontaktieren.

Ihr Felix Schürholz,  Kontakt

Coaching & Entscheidungscoaching im Naturheilzentrum Grünwald, Am Rathausplatz 1  im Kurz´nhof  (Grünwald liegt im Süden von München)

CoachFelix

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